INGE SCHMIDT   Bildhauerin

Sie sind offen und unbewaffnet, scheinen leicht zugänglich. Auch wenn sie auf den ersten Blick vertraut auftreten, so ist doch hinter ihrer sympathischen Geste etwas Verräterisches verborgen. Vielleicht sollte einmal, aber heimlich, die Frage gestellt werden - eine dumme, doch fundamentale Frage: Was sind sie? Wie sollen sie genannt sein? Sie sind weder Skulptur, noch Objekt, noch Installation. Vorläufig heißen sie „plastische Stücke“. Ja, sie sind auch plastisch. Und dann?

Holzstäbe, Pappen, Lappen, Bänder, Draht, Geflechte, Schnüre usw., geschnitten und geformt, aneinander geklebt, geknotet, gebündelt und geschichtet. Völlig nackte Gestalten, an denen sich alle Arbeitsschritte erkennen lassen. Eine kindliche Besessenheit oder mannigfaltige Fragmente davon sind an Winkeln, die die Holzstäbe bilden, an den Kanten der geschnittenen Wellpappe, an den Fugen der dünnen Sperrholzer spürbar; sehr fein und sorgfältig sind sie, aber doch ohne technische Fertigkeiten, und spiegeln einen seltsamen Trieb und eine unerfüllbare Lust am Sehen und Hören, an sonderbaren Konjunktionen des Zufalls. Sicherlich wird hier versucht, etwas Bestimmtes, eine bestimmte Aussage herbeizuführen. Die hervorgerufenen Effekte sind jedoch nicht unbedingt gewollt; sie sind verwandelt, modifiziert, sie weichen einfach ab.

Und somit bleiben die Materialien hartnäckig; sie sind die Dinge. Nicht diejenigen, die dargestellt werden, sondern diejenigen, die behandelt werden; sie sind vorgeführt nicht als etwas, das eine bestimmte optische Wirkung erzeugt, selbst wenn sie auch ästhetisiert werden können, sondern als absolute Materie. Die Dinge offenbaren eine Facette die als materia prima ausgelegt werden kann - wie bei den Alchemisten. Die Glorie als das Primäre ist leicht flüchtig, doch sie verflüchtigt sich nie ganz. Das Unbedingte verwandelt sich in etwas Unscheinbares und gesellt sich zu den Kleinigkeiten des Alltäglichen. Es wird eines davon - es ist verklärt worden - und es ist ebenso banal und etwas absurd; indessen ist etwas Subtiles zu erhaschen, das sich vielleicht als feine Spur einer aussichtslosen Flucht bezeichnen lassen kann, einer Flucht aus allen möglichen Beziehungen, aus jeglichen bereits vorhandenen Kategorien, einem ständig proliferierenden Sinnestext.

Sie sind offen und unbewaffnet. Sie sind gutmütig, aber lehnen streng ab, sich entziffern und sich interpretieren zu lassen. Ich vernehme den vagen Nachhall eines sanften Lächelns. Aber - von wem?

Henk van der Heyden